ROWdies Tour 1998

Wo Werra sich und Fulda küssen...

die Weser
von Hannoversch-Münden bis Bremen



In Zeiten der Arbeitslosigkeit, nach bestandenem Abitur, steht man überwiegend vor dem Problem: Was tun mit der ganzen freien Zeit?! - 24 Stunden und das jeden Tag. 1908 hatten ein paar Pädagogen und Schüler des Katharineums eine Lösung parat: 380 Kilometer Weser - von Hannoversch- Münden bis Bremen.


Stephan Huss nahm die Mühe auf sich und organisierte die gesamte Fahrt bis ins kleinste Detail (nochmals ein dickes Dankeschön). So ging es nach einem Vortreffen mit Gummibärchen bei Stephan am Freitag den 24. Juli mit einem 9-Mann-Mercedes-Sprinter, einer Bravo und einer Young Miss nach Hannoversch- Münden.

Nachdem wir unser Marschgepäck nicht wie gewohnt in der Turnhalle, sondern im Ruderverein untergebracht hatten, wurde natürlich erst einmal traditionell dem Döner-Mann ein Besuch abgestattet. Nach einem ruhigen Abend mit Tischfußball wurden wir am nächsten Morgen vom "Gequäke" eines Schrebergartenhahns geweckt. Philipp hatte bereits für die gesamte Mannschaft Brötchen besorgt und so begann der Tag perfekt mit einem ausgiebigen Frühstück in der Sonne auf der Terrasse. Im Gegensatz zum Wesermarathon konnten wir die Boote direkt am Bootshaus einsetzen. Das Wetter war, diesem Sommer zum Trotz, richtig sommerlich und so starteten wir unter besten Voraussetzungen und voll motiviert unsere Tour.


Samstag, 25. Juli (Hannoversch- Münden - Höxter)

Die erste Etappe war uns relativ bekannt, abgesehen von den ersten fünf Kilometern und folgender Schleuse. Nach circa 20 Kilometern stellten sich die bekannten Gefühle in Armen, Beinen und dem Allerwertesten ein. Des weiteren benötigten wir, ich wohl zum ersten Mal in diesem Jahr, wirklich eine Menge Sonnencreme. Bei km 48 - PP (Pommes-Pause). Alex W. auf die Frage, was er bezahlen möchte: "Das, was ich gegessen habe."

Spät nachmittags kamen wir in Höxter, der Zweier mit etwas (!) Verspätung, an. Müde, aber bester Laune, störte es uns nicht weiter, daß die Unterkunft doch stark an die Bundeswehr erinnerte. Gilbert war natürlich mit von der Partie und so spielten wir, zwar nicht sonderlich engagiert, aber auch ohne weitere Schäden, im Sonnenuntergang noch eine Runde Football, bevor wir uns auf die Suche nach dem magischen M machten. Doch von ein paar einheimischen Jugendlichen mußten wir erfahren, daß es in Höxter zwar keinen Mc D., dafür aber eine Grufty-Disco gebe. Das Resultat: das Abendessen bestand aus einer, auf dem Gaskocher eigens gekochten, Tütensuppe.


Sonntag, 26. Juli (Höxter - Hameln)

So ruderten wir am nächsten Tag weiter nach Hameln. In Hameln waren die Duschen mit Automaten "codiert", doch war die Unterkunft, abgesehen davon, daß es keine Matratzen gab, sehr komfortabel und das Frühstück von Mutti-Hausmeister bis zum weich- oder hartgekochten Ei geradezu perfekt (Sonntagsfrühstück). Die kulturelle Seite Hamelns beschränkten wir auf einen abendlichen Rundgang durch die Altstadt und folgten den, von Hamelnern in mühevoller Kleinstarbeit auf den Weg gemalten, Mäusen. Aber richtige Glückseligkeit kam erst wieder dort auf, wo es nicht unbedingt wie bei Muttern schmeckt. Philipp bekam dann auch mal wieder einen Rückfall in die nun doch etwas ferner liegende Kindheit und konnte sich dort auf dem Spielplatz einmal richtig nach Lust und Laune austoben.

Wir sollten Mc D. an den nun folgenden Abenden immer wieder aufsuchen und durften uns jedesmal erneut an Alex W.s wunderbar lauten Bestellgewohnheiten erfreuen. "Ich hätte gern...und...!" - danach wußte der ganze Laden Bescheid, was er auf seinem Tablett hatte.

Gemütlich ließen wir dann den Tag auf dem Steg am Bootshaus ausklingen.


Montag, 27. Juli (Hameln - Porta Westfalica)

Montag ging es weiter zur Porta Westfalica. Auf dem Plan stand eine der mythischen Bootsgassen - eigentlich das Highlight jeder Wanderfahrt -, doch leider paßten unsere Wanderboote nicht in die schmale Gasse, und so mußten wir umtragen.

Der Zweier, besetzt mit Philipp, Alexander H. und Stephan, hatte sich einiges für die Fahrt vorgenommen (5 Mülltüten Leergut!!!). So kam der Vierer um Stunden früher an.

Des weiteren sollte endlich einmal der immer wieder laut werdende Vorsatz, eine Liedersammlung aufzustellen, in die Tat umgesetzt werden. Wenn man sieben Stunden in einem Boot sitzt und gleich zu Anfang beginnt zu singen, um die Schmerzen zu "übertönen", dann gehen einem spätestens nach zwei Stunden die Lieder aus. So lernten wir dann, von Felix, übliche Bundeswehrschlager kennen, entdeckten englisches Liedergut ("Ten green bottles" wird, wenn man bei 50 anfängt, irgendwann eintönig!), erfuhren, daß Felix auch bei klarem Verstand Französisch kann und waren im Endeffekt doch sehr dankbar, "Kasie" und Shanties (!!!) dabei zu haben.

In Porta Westfalica stellten Birte und ich zum Unverständnis der anderen, in einem Anflug spontaner Aktivität und einer Portion Albernheit, fünf unglaublich weiche Bundeswehretagenbetten zusammen, so daß es nicht ganz einfach war, in den Schlafsack zu gelangen.

Felix, der Hit und Alex H. fanden heraus, daß Inga an Arachnophobie leidet, folglich hatten die drei ihren Spaß und Inga bekam das Grauen. Abends bekamen wir Besuch von Dorothea, Jan und Christoph, die z.Z. bei den Großeltern in der Nähe Urlaub machten. So saßen wir an diesem Abend zu zwöft im Schein der Petroleumlampen und Gaskocher in der "Sitzecke" vor dem Haus und lauschten gespannt den Kaben- und Maurergeschichten von Felix und Stephan (Nach dem Motto: "Kennt ihr die schon? Einmal wollte Kaben ...!"). Es gebe, laut Felix, sogar schon Leute, die Photos von Kaben in ihren Brieftaschen herumtragen würden. Kaben mutierte auf dieser Fahrt zum Mythos, nicht unbedingt zum Vorbild, nein, aber als Folge ernannten wir tags darauf einen "Touren-Kaben" und hängten sogar ein Poster von "ihm" auf.


Dienstag, 28. Juli (Ruhetag)

Dienstag durften wir zum ersten Mal ausschlafen, da endlich der verdiente Ruhetag war. Leider begann genau an diesem Tag der "Schlechtwetterteil" der Fahrt.

Erst einmal besichtigten wir, Jan, Doro, Christoph und Kuchen waren ebenfalls dabei, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das Jan sofort von oben sehen mußte. Wir machten Bekanntschaft mit einer sehr "charmanten" Kioskverkäuferin und kehrten bei Aldi und Mc D. ein. Dann besichtigten wir das Schiffshebewerk zum Mittellandkanal samt zugehörigem Museum. Nachmittags organisierten Birte und Kowo den Druck des ROWdies-T-Shirts, nach einer von Philipp bereits in Lübeck ausgearbeiteten Vorlage. Der Rest der Truppe genoß den Nachmittag im Bootshaus, aß Kuchen und spielte fiese Denkspiele.


Mittwoch, 29. Juli (Porta Westfalica - Nienburg)

Warten an einer Schleuse

Mittwoch keulten wir weiter nach Nienburg, wobei wir der Muskelkraft streckenweise etwas nachhelfen ließen. Dabei war es an diesem Tag eigenartig ruhig im Boot, abgesehen von Felix, der, auf eins hinter einer "Kiste" sitzend, leise auf Französisch vor sich hin sang und auf dessen Gesicht sich ein immer glücklicheres Grinsen breitmachte. Natürlich setzte der Regen immer genau dann ein, wenn man in einer Schleuse festsaß oder gerade Pause machen wollte, doch ich empfand nicht, daß dadurch die Laune stark beeinträchtigt wurde.

In Nienburg angekommen, war das Wetter auch nicht besser. Trotzdem stürzten wir uns wie die Wilden in das anliegende Freibad (so versifft wie wir waren), das sogar eine "Super-Rutsche"(!) zu bieten hatte. Wir waren, dank des Regens, die einzigen Besucher, konnten den Bademeister jedoch nicht zu einem "Sonder-Regen-Rudergruppe-alle unter 18-Tarif" überreden.

Unsere drei Besucher hatten uns zum verspäteten Mittagessen eine wunderbar scharfe Pizza bereitet, so daß uns allen relativ schnell wieder sehr warm wurde. Zum Abendbrot kochten Inga, Birte, Philipp und Felix extrem leckere Spaghetti mit Tomatensauce und ganz viel Knoblauch. Danach spielten wir Bohnanza (ein höchst kompliziertes Strategie-Spiel, bei dem es um den Ver- und Ankauf von Bohnen geht) bis zum Umfallen.

Nach dem "Umfallen" genossen wir noch einen langen Abend, da die Räumlichkeiten, im Gegensatz zum letzten Bootshaus, mit allen Schikanen - abgesehen von Matratzen (sehr wichtig) - ausgestattet waren --> Zapfanlage! Unsere "Kontaktperson" hatte uns den Tip gegeben, daß man nachts doch einfach über den Zaun klettern könne, um ins Freibad zu gelangen. Wir, nicht faul, standen also schon in voller Montur vorm Zaun... als wir noch Licht beim Bademeister bemerkten. Das Risiko sind wir dann lieber doch nicht eingegangen.

Alex H. und Stephan entdeckten in Nienburgs Kneipen den "Gassenhauer", einen Bummelpass zwecks Stempel für jedes Getränk. Und eigentlich war noch ein Schlafsackwetthüpfen auf dem Gang geplant, das an allgemeiner Müdigkeit scheiterte.


Donnerstag, 30. Juli (Nienburg - Verden a.d. Aller)

Die Strecke nach Verden am Donnerstag war, jedenfalls im Vierer, am härtesten. Begann die Etappe anfänglich noch richtig sonnig, legten wir alle, um das bißchen Sonne effizient zu nutzen, hinter der ersten Schleuse eine Pause auf einem Steg ein. Fünf Minuten vergingen, dann wurde die schläfrige Idylle gestört. Petrus schickte einen Platzregen, der innerhalb von Sekunden alles in den Booten zum Schwimmen brachte und "Kasie" als Folgeerscheinung keinen Ton mehr von sich geben lassen wollte.

Die Strecke war lang, es regnete, der Wind kam von vorne, und Alex W. informierte uns zu allem Überfluß alle halbe Stunde über die Dauer der Fahrt, wenn wir:

a) die Frequenz der Schläge beibehielten,
b) die Pausen alle sechs Kilometer einlegten,
c) für einen Kilometer im Schnitt fünf Minuten bräuchten,

vergaß dabei jedoch, wie Felix sehr richtig und zähneknirschend bemerkte, Zigaretten- und Yogo-Yogo-Pausen, Strömung, Windverhältnisse...! Aber irgendwann nach dem letzten Platzregen in einer Schleuse wurde es auch bei uns im Boot stiller. Die Pause in Hoya wurde allgemein ausgedehnt, Alex W., Felix, Philipp und Inga sorgten nach dem Lunch bei Big Grill für Aufsehen, als sie, mit Schlecker-Müllsäcken und Oma-Regenhauben gegen erneute Regengüsse gewappnet, durch die Fußgängerzone zogen. Alex H., Stephan, Birte und ich besuchten, mit Ruderklubregenschirmen ausgestattet (der nette Hausmeister nahm uns sogar in seinem Auto mit), derweil den örtlichen Dönermann, wo Stephan sehr eindringlich darauf hingewiesen wurde, doch bitte seine Beine (Rollbahnfett) zu säubern ("Sportsfreund - Sie haben da was am Bein, machen Sie das mal weg!").

Bei Kilometerzahl 233 kam tatsächlich die Sonne wieder zum Vorschein, woraufhin sich auch Kasie wieder zu Wort meldete, er klang abwechselnd mal nach Kaffeemaschine, mal nach Toaster; spielte aber irgendwann tatsächlich Musik --> jugoslawische Folklore.

Stunden später gelangten wir auf die Aller, zu Freuden aller mit Gegenströmung und erreichten gegen 22 Uhr den Verdener-Ruderklub.

Es blieb beim alten Ritual: Mc D. --> Bohnanza --> ´ne Flasche Wein und Schokolade; relativ schnell lagen alle in den Schlafsäcken und schnarchten in den unterschiedlichsten Tonarten (klang nett) vor sich hin.


Freitag, 31. Juli (Verden a.d. Aller - Bremen)

Die KRR-Boote im Schlepptau

Freitag letzte Etappe - nur (!) 40 Kilometer. Nachdem wir an den letzten Tagen jeweils 60 bis 80 Kilometer gerudert waren und es sich um das letzte "Stückchen" handelte, packte uns Mädels der Ehrgeiz. Mit Regenjacken, Mülltüten und lebenswichtiger Nahrung ausgestattet, zogen wir mit dem Zweier los, ... und nach sechs Kilometern trafen wir ein nettes Motorboot...! Eine halbe Stunde später hatte uns der Vierer keulenderweise eingeholt und wurde ebenfalls eingeklinkt.

Diese Hilfsmaßnahme war auch dringendst nötig, es goß und stürmte dermaßen, daß man es nur noch mit Humor nehmen konnte --> "Watt hep we lecht!!!" Besonders weil wir drei vor lauter Übermut, nach dem Ausklinken kurz vor Bremen, nicht, wie der Vierer, eine Pause einlegten, sondern unbedingt weiterrudern mußten. Naß waren wir ja schon bis auf die Knochen, und ob sich das Wasser nun außer- oder innerhalb des Bootes befand, war schließlich auch egal!

Resultat und vorläufiges Ende unserer Anstrengungen: die Schleuse schleuste nicht. Wir legten also das Boot aufs Trockene und mußten die letzten Kilometer im Regen, völlig durchnäßt, zu Fuß zurücklegen. Irgendwie hat auch keiner unsere Anhalterversuche ernst genommen. Vor dem wohlverdienten Feierabend mußten jedoch noch die auf dem Weg gelassenen Boote wieder eingesammelt werden (Der Vierer nahm von der "Pause" direkt ein Taxi nach Bremen).

Die Stimmung war der Lage entsprechend, Alcis kaputt, Ruderhaus nicht gerade gemütlich (wir waren in der Damenumkleide zwischen Schränken und Duschen untergebracht), ziemlich gereizt. Aber Stephan, der den Tag auf einem Seminar in Bremen verbracht hatte, baute uns durch "ermunterndes" Zurufen beim Abriggern der Boote wieder einigermaßen auf. (Ein Wanderruderer dieser Riege muß vor allen Dingen die nötige Portion Humor besitzen!)

An diesem Abend entstanden im Becks-Haus - natürlich bei einem Becks - die Pläne für die nächste Tour; mehr oder weniger ernsthaft --> Niagarafälle.

Dies zeigte jedoch, daß es eine gelungene Fahrt war und sich vielleicht im nächsten Jahr noch ein paar mehr Teilnehmer für eine solche Aktion begeistern könnten.


Samstag hatten wir mittlerweile einen Stand der Gleichgültigkeit erreicht, daß wir quasi alle kollektiv in der Damenumkleide duschten und eigentlich nur noch vom Schlafsack in den Bus fallen wollten; ab nach Hause!


Die Fahrt war, ungelogen, ein unvergleichbares Erlebnis, das nicht zustande gekommen wäre, wenn Stephan nicht bereit gewesen wäre, soviel Zeit und Energie in die Organisation zu investieren und mit Birte und Kowo nicht abwechselnd den Landdienst übernommen hätte.

Für diese Mühe möchte ich mich, im Namen aller, noch einmal ganz herzlich bedanken und hoffe, daß die ROWdies-Tour auch fester Bestandteil der nächsten Ruderjahre wird.

Anne Eisenbeiß (Artikel aus "KRR aktuell" Nr. 17, Heft 1/1999)