In Zeiten der
Arbeitslosigkeit, nach bestandenem Abitur, steht man überwiegend
vor dem Problem: Was tun mit der ganzen freien Zeit?! - 24 Stunden
und das jeden Tag. 1908 hatten ein paar Pädagogen und Schüler
des Katharineums eine Lösung parat: 380 Kilometer Weser - von
Hannoversch- Münden bis Bremen.
Stephan Huss nahm die Mühe auf sich und organisierte
die gesamte Fahrt bis ins kleinste Detail (nochmals ein dickes Dankeschön).
So ging es nach einem Vortreffen mit Gummibärchen bei Stephan
am Freitag den 24. Juli mit einem 9-Mann-Mercedes-Sprinter, einer
Bravo und einer Young Miss nach Hannoversch- Münden.
Nachdem wir unser Marschgepäck nicht wie gewohnt in der Turnhalle,
sondern im Ruderverein untergebracht hatten, wurde natürlich
erst einmal traditionell dem Döner-Mann ein Besuch abgestattet.
Nach einem ruhigen Abend mit Tischfußball wurden wir am nächsten
Morgen vom "Gequäke" eines Schrebergartenhahns geweckt.
Philipp hatte bereits für die gesamte Mannschaft Brötchen
besorgt und so begann der Tag perfekt mit einem ausgiebigen Frühstück
in der Sonne auf der Terrasse. Im Gegensatz zum Wesermarathon konnten
wir die Boote direkt am Bootshaus einsetzen. Das Wetter war, diesem
Sommer zum Trotz, richtig sommerlich und so starteten wir unter
besten Voraussetzungen und voll motiviert unsere Tour.
Samstag, 25. Juli (Hannoversch- Münden - Höxter) Die erste Etappe war uns relativ
bekannt, abgesehen von den ersten fünf Kilometern und folgender
Schleuse. Nach circa 20 Kilometern stellten sich die bekannten Gefühle
in Armen, Beinen und dem Allerwertesten ein. Des weiteren benötigten
wir, ich wohl zum ersten Mal in diesem Jahr, wirklich eine Menge
Sonnencreme. Bei km 48 - PP (Pommes-Pause). Alex W. auf die Frage,
was er bezahlen möchte: "Das, was ich gegessen habe."
Spät nachmittags kamen wir in Höxter, der Zweier
mit etwas (!) Verspätung, an. Müde, aber bester Laune,
störte es uns nicht weiter, daß die Unterkunft doch stark
an die Bundeswehr erinnerte. Gilbert war natürlich mit von
der Partie und so spielten wir, zwar nicht sonderlich engagiert,
aber auch ohne weitere Schäden, im Sonnenuntergang noch eine
Runde Football, bevor wir uns auf die Suche nach dem magischen M
machten. Doch von ein paar einheimischen Jugendlichen mußten
wir erfahren, daß es in Höxter zwar keinen Mc D., dafür
aber eine Grufty-Disco gebe. Das Resultat: das Abendessen bestand
aus einer, auf dem Gaskocher eigens gekochten, Tütensuppe.
Sonntag, 26.
Juli (Höxter
- Hameln) So ruderten
wir am nächsten Tag weiter nach Hameln. In Hameln waren die
Duschen mit Automaten "codiert", doch war die Unterkunft,
abgesehen davon, daß es keine Matratzen gab, sehr komfortabel
und das Frühstück von Mutti-Hausmeister bis zum weich-
oder hartgekochten Ei geradezu perfekt (Sonntagsfrühstück).
Die kulturelle Seite Hamelns beschränkten wir auf einen abendlichen
Rundgang durch die Altstadt und folgten den, von Hamelnern in mühevoller
Kleinstarbeit auf den Weg gemalten, Mäusen. Aber richtige Glückseligkeit
kam erst wieder dort auf, wo es nicht unbedingt wie bei Muttern
schmeckt. Philipp bekam dann auch mal wieder einen Rückfall
in die nun doch etwas ferner liegende Kindheit und konnte sich dort
auf dem Spielplatz einmal richtig nach Lust und Laune austoben.
Wir sollten Mc D. an den nun folgenden Abenden immer wieder
aufsuchen und durften uns jedesmal erneut an Alex W.s wunderbar
lauten Bestellgewohnheiten erfreuen. "Ich hätte gern...und...!"
- danach wußte der ganze Laden Bescheid, was er auf seinem
Tablett hatte. Gemütlich ließen wir dann den
Tag auf dem Steg am Bootshaus ausklingen. Montag, 27. Juli (Hameln - Porta Westfalica) Montag ging es weiter zur Porta
Westfalica. Auf dem Plan stand eine der mythischen Bootsgassen -
eigentlich das Highlight jeder Wanderfahrt -, doch leider paßten
unsere Wanderboote nicht in die schmale Gasse, und so mußten
wir umtragen. Der Zweier, besetzt mit Philipp, Alexander
H. und Stephan, hatte sich einiges für die Fahrt vorgenommen
(5 Mülltüten Leergut!!!). So kam der Vierer um Stunden
früher an. Des weiteren sollte endlich einmal der
immer wieder laut werdende Vorsatz, eine Liedersammlung aufzustellen,
in die Tat umgesetzt werden. Wenn man sieben Stunden in einem Boot
sitzt und gleich zu Anfang beginnt zu singen, um die Schmerzen zu
"übertönen", dann gehen einem spätestens
nach zwei Stunden die Lieder aus. So lernten wir dann, von Felix,
übliche Bundeswehrschlager kennen, entdeckten englisches Liedergut
("Ten green bottles" wird, wenn man bei 50 anfängt,
irgendwann eintönig!), erfuhren, daß Felix auch bei klarem
Verstand Französisch kann und waren im Endeffekt doch sehr
dankbar, "Kasie" und Shanties (!!!) dabei zu haben.
In Porta Westfalica stellten Birte und ich zum Unverständnis
der anderen, in einem Anflug spontaner Aktivität und einer
Portion Albernheit, fünf unglaublich weiche Bundeswehretagenbetten
zusammen, so daß es nicht ganz einfach war, in den Schlafsack
zu gelangen. Felix, der Hit und Alex H. fanden heraus,
daß Inga an Arachnophobie leidet, folglich hatten die drei
ihren Spaß und Inga bekam das Grauen. Abends bekamen wir Besuch
von Dorothea, Jan und Christoph, die z.Z. bei den Großeltern
in der Nähe Urlaub machten. So saßen wir an diesem Abend
zu zwöft im Schein der Petroleumlampen und Gaskocher in der
"Sitzecke" vor dem Haus und lauschten gespannt den Kaben-
und Maurergeschichten von Felix und Stephan (Nach dem Motto: "Kennt
ihr die schon? Einmal wollte Kaben ...!"). Es gebe, laut Felix,
sogar schon Leute, die Photos von Kaben in ihren Brieftaschen herumtragen
würden. Kaben mutierte auf dieser Fahrt zum Mythos, nicht unbedingt
zum Vorbild, nein, aber als Folge ernannten wir tags darauf einen
"Touren-Kaben" und hängten sogar ein Poster von "ihm"
auf. Dienstag,
28. Juli (Ruhetag) Dienstag durften wir zum ersten
Mal ausschlafen, da endlich der verdiente Ruhetag war. Leider begann
genau an diesem Tag der "Schlechtwetterteil" der Fahrt.
Erst einmal besichtigten wir, Jan, Doro, Christoph und Kuchen
waren ebenfalls dabei, das Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das Jan sofort
von oben sehen mußte. Wir machten Bekanntschaft mit einer
sehr "charmanten" Kioskverkäuferin und kehrten bei
Aldi und Mc D. ein. Dann besichtigten wir das Schiffshebewerk zum
Mittellandkanal samt zugehörigem Museum. Nachmittags organisierten
Birte und Kowo den Druck des ROWdies-T-Shirts, nach einer von Philipp
bereits in Lübeck ausgearbeiteten Vorlage. Der Rest der Truppe
genoß den Nachmittag im Bootshaus, aß Kuchen und spielte
fiese Denkspiele.
Mittwoch,
29. Juli (Porta Westfalica
- Nienburg)

Mittwoch keulten
wir weiter nach Nienburg, wobei wir der Muskelkraft streckenweise
etwas nachhelfen ließen. Dabei war es an diesem Tag eigenartig
ruhig im Boot, abgesehen von Felix, der, auf eins hinter einer "Kiste"
sitzend, leise auf Französisch vor sich hin sang und auf dessen
Gesicht sich ein immer glücklicheres Grinsen breitmachte. Natürlich
setzte der Regen immer genau dann ein, wenn man in einer Schleuse
festsaß oder gerade Pause machen wollte, doch ich empfand
nicht, daß dadurch die Laune stark beeinträchtigt wurde.
In Nienburg angekommen, war das Wetter auch nicht besser. Trotzdem
stürzten wir uns wie die Wilden in das anliegende Freibad (so
versifft wie wir waren), das sogar eine "Super-Rutsche"(!)
zu bieten hatte. Wir waren, dank des Regens, die einzigen Besucher,
konnten den Bademeister jedoch nicht zu einem "Sonder-Regen-Rudergruppe-alle
unter 18-Tarif" überreden. Unsere drei Besucher
hatten uns zum verspäteten Mittagessen eine wunderbar scharfe
Pizza bereitet, so daß uns allen relativ schnell wieder sehr
warm wurde. Zum Abendbrot kochten Inga, Birte, Philipp und Felix
extrem leckere Spaghetti mit Tomatensauce und ganz viel Knoblauch.
Danach spielten wir Bohnanza (ein höchst kompliziertes Strategie-Spiel,
bei dem es um den Ver- und Ankauf von Bohnen geht) bis zum Umfallen.
Nach dem "Umfallen" genossen wir noch einen langen
Abend, da die Räumlichkeiten, im Gegensatz zum letzten Bootshaus,
mit allen Schikanen - abgesehen von Matratzen (sehr wichtig) - ausgestattet
waren --> Zapfanlage! Unsere "Kontaktperson" hatte
uns den Tip gegeben, daß man nachts doch einfach über
den Zaun klettern könne, um ins Freibad zu gelangen. Wir, nicht
faul, standen also schon in voller Montur vorm Zaun... als wir noch
Licht beim Bademeister bemerkten. Das Risiko sind wir dann lieber
doch nicht eingegangen. Alex H. und Stephan entdeckten
in Nienburgs Kneipen den "Gassenhauer", einen Bummelpass
zwecks Stempel für jedes Getränk. Und eigentlich war noch
ein Schlafsackwetthüpfen auf dem Gang geplant, das an allgemeiner
Müdigkeit scheiterte. Donnerstag,
30. Juli (Nienburg
- Verden a.d. Aller)
Die Strecke nach Verden am Donnerstag war, jedenfalls im Vierer,
am härtesten. Begann die Etappe anfänglich noch richtig
sonnig, legten wir alle, um das bißchen Sonne effizient zu
nutzen, hinter der ersten Schleuse eine Pause auf einem Steg ein.
Fünf Minuten vergingen, dann wurde die schläfrige Idylle
gestört. Petrus schickte einen Platzregen, der innerhalb von
Sekunden alles in den Booten zum Schwimmen brachte und "Kasie"
als Folgeerscheinung keinen Ton mehr von sich geben lassen wollte.
Die Strecke war lang, es regnete, der Wind kam von vorne, und
Alex W. informierte uns zu allem Überfluß alle halbe
Stunde über die Dauer der Fahrt, wenn wir: a) die
Frequenz der Schläge beibehielten, b) die Pausen alle sechs
Kilometer einlegten, c) für einen Kilometer im Schnitt
fünf Minuten bräuchten, vergaß dabei jedoch,
wie Felix sehr richtig und zähneknirschend bemerkte, Zigaretten-
und Yogo-Yogo-Pausen, Strömung, Windverhältnisse...! Aber
irgendwann nach dem letzten Platzregen in einer Schleuse wurde es
auch bei uns im Boot stiller. Die Pause in Hoya wurde allgemein
ausgedehnt, Alex W., Felix, Philipp und Inga sorgten nach dem Lunch
bei Big Grill für Aufsehen, als sie, mit Schlecker-Müllsäcken
und Oma-Regenhauben gegen erneute Regengüsse gewappnet, durch
die Fußgängerzone zogen. Alex H., Stephan, Birte und
ich besuchten, mit Ruderklubregenschirmen ausgestattet (der nette
Hausmeister nahm uns sogar in seinem Auto mit), derweil den örtlichen
Dönermann, wo Stephan sehr eindringlich darauf hingewiesen
wurde, doch bitte seine Beine (Rollbahnfett) zu säubern ("Sportsfreund
- Sie haben da was am Bein, machen Sie das mal weg!").
Bei Kilometerzahl 233 kam tatsächlich die Sonne wieder
zum Vorschein, woraufhin sich auch Kasie wieder zu Wort meldete,
er klang abwechselnd mal nach Kaffeemaschine, mal nach Toaster;
spielte aber irgendwann tatsächlich Musik --> jugoslawische
Folklore. Stunden später gelangten wir auf die Aller,
zu Freuden aller mit Gegenströmung und erreichten gegen 22
Uhr den Verdener-Ruderklub. Es blieb beim alten Ritual:
Mc D. --> Bohnanza --> ´ne Flasche Wein und Schokolade;
relativ schnell lagen alle in den Schlafsäcken und schnarchten
in den unterschiedlichsten Tonarten (klang nett) vor sich hin.
Freitag,
31. Juli (Verden
a.d. Aller - Bremen)

Freitag letzte Etappe
- nur (!) 40 Kilometer. Nachdem wir an den letzten Tagen jeweils
60 bis 80 Kilometer gerudert waren und es sich um das letzte "Stückchen"
handelte, packte uns Mädels der Ehrgeiz. Mit Regenjacken, Mülltüten
und lebenswichtiger Nahrung ausgestattet, zogen wir mit dem Zweier
los, ... und nach sechs Kilometern trafen wir ein nettes Motorboot...!
Eine halbe Stunde später hatte uns der Vierer keulenderweise
eingeholt und wurde ebenfalls eingeklinkt. Diese Hilfsmaßnahme
war auch dringendst nötig, es goß und stürmte dermaßen,
daß man es nur noch mit Humor nehmen konnte --> "Watt
hep we lecht!!!" Besonders weil wir drei vor lauter Übermut,
nach dem Ausklinken kurz vor Bremen, nicht, wie der Vierer, eine
Pause einlegten, sondern unbedingt weiterrudern mußten. Naß
waren wir ja schon bis auf die Knochen, und ob sich das Wasser nun
außer- oder innerhalb des Bootes befand, war schließlich
auch egal! Resultat und vorläufiges Ende unserer Anstrengungen:
die Schleuse schleuste nicht. Wir legten also das Boot aufs Trockene
und mußten die letzten Kilometer im Regen, völlig durchnäßt,
zu Fuß zurücklegen. Irgendwie hat auch keiner unsere
Anhalterversuche ernst genommen. Vor dem wohlverdienten Feierabend
mußten jedoch noch die auf dem Weg gelassenen Boote wieder
eingesammelt werden (Der Vierer nahm von der "Pause" direkt
ein Taxi nach Bremen). Die Stimmung war der Lage entsprechend,
Alcis kaputt, Ruderhaus nicht gerade gemütlich (wir waren in
der Damenumkleide zwischen Schränken und Duschen untergebracht),
ziemlich gereizt. Aber Stephan, der den Tag auf einem Seminar in
Bremen verbracht hatte, baute uns durch "ermunterndes"
Zurufen beim Abriggern der Boote wieder einigermaßen auf.
(Ein Wanderruderer dieser Riege muß vor allen Dingen die nötige
Portion Humor besitzen!) An diesem Abend entstanden im
Becks-Haus - natürlich bei einem Becks - die Pläne für
die nächste Tour; mehr oder weniger ernsthaft --> Niagarafälle.
Dies zeigte jedoch, daß es eine gelungene Fahrt war und
sich vielleicht im nächsten Jahr noch ein paar mehr Teilnehmer
für eine solche Aktion begeistern könnten.
Samstag hatten wir mittlerweile einen Stand der Gleichgültigkeit
erreicht, daß wir quasi alle kollektiv in der Damenumkleide
duschten und eigentlich nur noch vom Schlafsack in den Bus fallen
wollten; ab nach Hause! Die Fahrt war, ungelogen,
ein unvergleichbares Erlebnis, das nicht zustande gekommen wäre,
wenn Stephan nicht bereit gewesen wäre, soviel Zeit und Energie
in die Organisation zu investieren und mit Birte und Kowo nicht
abwechselnd den Landdienst übernommen hätte.
Für diese Mühe möchte ich mich, im Namen aller, noch
einmal ganz herzlich bedanken und hoffe, daß die ROWdies-Tour
auch fester Bestandteil der nächsten Ruderjahre wird.
Anne Eisenbeiß (Artikel aus "KRR aktuell" Nr.
17, Heft 1/1999)
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