Unser Fahrtenemblem 1993Rhein-Marne-Kanal


Zum dritten Mal fanden sich tapfere, junge Ruderer zusammen, um während der Sommerferien keinerlei Gefahren zu scheuen und im Kampf gegen das flüssige Naß zu bestehen. Wie bereits in den beiden Vorjahren setzte sich die Gruppe der Ruderer, tatsächlich alles nur "Männer", aus aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Ruderriegen des Johanneums und des Katharineums zusammen, die jedoch inzwischen größtenteils Mitglieder der LRG-Jugendabteilung geworden waren. So lief die Wanderfahrt also unter der offiziellen Schirmherrschaft der LRG, Fahrtenleiter war der gute Björn.

Eigentlich wollten wir ja mit acht Leuten losfahren, damit neben zwei Zweierbesetzungen (selbstverständlich mit Stm.!) jeweils zwei Leute Landdienst machen konnten, leider erkrankte jedoch kurz vor Fahrtenbeginn Martin Raeder. Da kurzfristig kein Ersatz gefunden werden konnte, fuhren wir notgedrungen mit sieben Leuten.


Sonntag, 1. August 1993

Sieben Leute, alles Jungens, fast alle volljährig, brachen also am 1. August 1993 zu einer zwölftägigen Wanderfahrt auf, die sie auf den Wasserstraßen Europas, vornehmlich dem Rhein-Marne-Kanal, von Straßburg nach Saarbrücken führen sollte.
An ebendiesem Sonntag wurde um 7.00 Uhr der LRG-Transit mit dem Gepäck beladen und anschließend der Hänger angekuppelt, der mit den Zweiern "Harry" (JRR) und "Alcis" (KRR) "belegt" war. Mit schlafen, schnacken und vor allem Radio hören verging die Zeit relativ schnell ("Hello, this is John Lennon speaking, I'm already dead for quite a while now..." - Heinz Wägele als "Kalklander" - insgesamt also das brutal gute FFN-Frühstücksradio!).

Ein Zwischenstop nahe Kassel führte uns in das idyllische Autobahn-Dörfchen Kirchheim, in dem wir auf einer DEA-Tankstelle auftankten. Während sich alle normalen Menschen im Snack-Shop mit Fressalien eindeckten, entdeckte Kowo die phantastische Ausstattung der tankstelleneigenen Toiletten. Von dieser unglaublichen Entdeckung schwärmte er übrigens nicht nur die ganze restliche Fahrt über, sondern gelegentlich erzählt er auch heute noch davon ("Alter, das war so ein geiles Klo, voll das High-Tech-Klo, mit Musik und so, und ...").
Anschließend machten wir noch einen kurzen Abstecher ins 100 Meter weiter gelegene "McDonald's-Restaurant", in dem uns ein Verkäufer bediente, der anscheinend nicht nur nicht ganz helle, sondern zudem noch Langsamkeit kaum zu übertreffen war. Seine Hochwasserhosen waren ihm auch ein wenig eng...

Campingplatz in Straßburg

Am frühen Abend erreichten wir Straßburg. Nach einigem Verfahren kamen wir gegen 17.30 Uhr an unserem Campingplatz "Montagne Verte" - der grüne Berg - an. Schnell die Zelte aufgebaut, geduscht und noch fix etwas gegessen, damit wir alsbald in die Innenstadt Straßburgs fahren konnten. - Durch die vielen Straßen Straßburgs zu gehen, war eigentlich ganz witzig, allerdings konnten wir nirgends eine geöffnete Wechselstube finden, hatten wir doch alle noch keine Francs eingetauscht; also zurück zum Campingplatz. Hier widmeten wir unsere Zeit der Nahrungsaufnahme... So saßen wir noch eine Weile gemütlich zwischen den Zelten.


Montag, 2. August 1993

Ausschlafen! Ab 9.00 Uhr ging´s so langsam hoch, neben der auf einer ROWdies Tour gar nicht einmal unbedingt üblichen Morgendusche und dem Frühstück lieferten sich Bärbel und Critter noch eine aufreibende Wasserspritzpistolenschlacht, die zum Glück keine Menschenopfer forderte. In der Stadt tauschten wir dann Geld ein bzw. um, und da sämtliche Geschäfte noch geschlossen hatten, erweiterten wir unseren kulturellen Horizont durch einen ausgedehnten Besuch im Straßburger Münster (5 min).

Auf dem Weg zurück zum Campingplatz machten wir dann noch in einem Supermarkt Halt und deckten uns vorsorglich mit allen möglichen lebenswichtigen Materialien ein. Auf dem Zeltplatz war dann essen und faulenzen angesagt.

Am Nachmittag fuhren wir nochmals in die Stadt. Während "Kid´s Company", ein Jeans-Laden, der uns eigentlich am meisten interessierte, leider immer noch geschlossen hatte, fanden wir im "Droopy-Shop" ein paar nette Kleinigkeiten. Okieh, Bärbel und Björn setzten sich in ein Straßencafé, in dem sie feststellen mußten, daß das französische Bier Meteor nicht unbedingt das leckerste ist; Berger, Critter, Kowo und Hussen bummelten durch ein paar Geschäfte und schlugen kräftig im Sommerschlußverkauf zu.

Gegen 15.30 Uhr fuhren wir zum "Rowing Club Straßbourg" (RCS), wo einiges an Organisation klargemacht wurde. Anschließend holten wir vom Zeltplatz den Hänger, luden die Boote am RCS ab, riggerten sie auf, parkten den Hänger und gingen auf´s Wasser. Leider konnten wir keine größeren Strecken zurücklegen, da uns der Weg jeweils durch Schleusen versperrt war. Dennoch, wir ruderten hin und her, das Wasser war einfach super, das Wetter noch besser.

Auf dem Zeltplatz versuchten wir uns dann im Volleyball. Mit anderen Zeltplatzbewohnern, die ebenfalls mitspielten, hatten wir dabei sehr viel Spaß. Nach einem weiteren Duschgang setzten wir uns ein weiteres Mal zwischen die Zelte. Dabei wurde auch der französische Wein probiert.


Dienstag, 3. August 1993

Die Zeit zwischen 7.00 Uhr und 9.00 Uhr wurde mit aufstehen, essen, waschen, aufräumen, Zelte abbauen und bezahlen überbrückt. Gegen 9.10 Uhr brachen wir auf zum RCS, wo wir die Boote ins Wasser setzten und losruderten.

Insgesamt mußten wir fünfmal Schleusen. Schon bei der zweiten Schleuse mußten wir endlos lange warten, da beim ersten Mal Ausflugskähne und beim zweiten Mal die Berufsschiffahrt die Schleuse füllten.

So gut wie alle Schleusen waren automatisch, kaum eine war mit einem Schleusenwärter ("Inspecteur E'Cluseau") ausgestattet, nur einige sehr wenige mußte man selbst auf- und zukurbeln. Diese Schleusenautomatik wurde uns dann auch gleich zum Verhängnis: Während die beiden Zweier gerade aus der Schleuse herausfuhren, ertönte die Schleusenklingel, was normalerweise bedeutet, daß sich die Schleusentore schließen und daß wieder zurückgeschleust wird. Das Boot Alcis hat es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft, aus der Schleuse herauszukommen. Panik machte sich breit (im anderen Boot Gelächter), auf keinen Fall durfte dem Boot etwas passieren, zum Glück wurde es von den Schleusentoren nicht zermalmt!

Das Ende der Abstinenz

Aber was nun? Die ganze Zeit warten, bis man zuerst wieder herunter- und dann wieder hochgeschleust war? - Nein! So eine zeitliche Verzögerung konnten und wollten wir nicht hinnehmen. Also zog die Alcis-Crew kurzerhand an der in der Schleuse angebrachten "Alarme"-Strippe. Doch genau das war falsch, denn von nun an ging garnichts mehr. Der bereits begonnene Schleusvorgang (nach unten) brach abrupt ab, so daß wir mehr oder weniger in der Mitte hingen. Während Okieh sich die Beine vertrat, blieben Critter und Hussen im Boot. Critter, von den anderen zum Sündenbock ernannt, der das ganze Malheur zu verantworten hatte, hielt dem mentalen Druck nicht mehr stand und rauchte seine erste Zigarette nach längerer Abstinenz.

Die Wartezeit war dann unendlich lang. Nach einem kurzen Telefonat mit der "Schleusenzentrale" (oder wie auch immer man das nennen mag) dauerte es seine Zeit, bis der "Serviceman" auftauchte, um uns aus dieser mißlichen Lage zu befreien. Nach einer weiteren Schleuse nahmen wir die Boote bei der darauffolgenden heraus.

Auf dem Rhein-Marne-Kanal

Den Kanal verallgemeinernd beschreibend, muß man sagen, daß die Landschaft, in der wir ruderten, zwar ganz nett war, der Kanal selbst jedoch nicht sehr schön. Er ist um etwa vier bis fünf Meter höher gelegt und liegt somit oberhalb der normalen Landschaft wie ein Deich auf weiter Ebene. Durch die durch nichts unterbrochene Randbefestigung wirkt er die ganze Zeit über sehr monoton. Durch das sehr ruhige Wasser kommt man äußerst zügig voran, vorausgesetzt es fahren keine Motorboote vor einem. In diesen Falle gibt es nämlich sehr viel Kabbelwasser, was uns sogleich zu einem Vergleich mit der Müritz veranlaßte (siehe ROWdies Tour ´92). Die Landschaft wurde im weiteren Verlauf der Fahrt von Tag zu Tag schöner. Schon nach wenigen Tagen konnte man eintauchen in die hinter der Randbefestigung idyllisch liegende, malerisch wirkende Natur, deren Wasserbett sich durch unzählige Täler und weite Ebenen hindurchschlängelte. Mit dem Verlassen des Rhein-Marne-Kanals hörten später auch die Randbefestigungen auf, ständig und immer sichtbar und präsent zu sein.

Campingplatz Saverne

Mit dem Transit fuhren wir zu unserem nächsten Campingplatz nach Saverne, wo wir unsere Zelte aufbauten, duschten und aßen. Tagesgericht war eine große 5-Liter-Dose Erasco-Linsen. Im Anschluß daran faulenzten wir, saßen zusammen und ließen die Wirkung der Linsen über uns ergehen. Danach fuhren wir noch einmal kurz in die Stadt. Beim Einparken hätten wir fast einen Unfall mit einen blauen Ford Fiesta gehabt, da dieser, von der anderen Seite kommend, in die gleiche Parklücke wollte wie wir, jedoch nicht sicherheitshalber im allerletzten Augenblick abbremste (Danke nochmal Björn!). In Saverne war allerdings überhaupt nichts los, so daß wir wieder zurückfuhren.

Auf dem Zeltplatz griff Bärbel in die Saiten, und wir gaben unser Bestes, guten Gesang dazu zu liefern. Das dauerte allerdings nur so lange, bis der Platzwart kam und uns zurechtwies. So saßen wir ohne Gesang noch ein Weilchen zusammen...


Mittwoch, 4. August 1993

Aufstehen, duschen, essen etc. - Abfahrt um 9.30 Uhr.

Warten in der Schleuse

Während der Landienst zurück nach Straßburg fuhr, in Deutschland einkaufte (gewisse Sachen sind da nunmal billiger!) und den Hänger holte, kamen die anderen kaum zum Rudern. Die längste Strecke, die in einem Rutsch durchgerudert werden konnte, war maximal zwei Kilometer lang, da wir andauernd durch Schleusen unterbrochen wurden, derer wir an diesem Tage 15 zu bewältigen hatten. So bleibt über das Rudern nicht viel zu berichten.

Das Abendessen bestand diesmal aus grünem Bohneneintopf mit Fleischeinlage - natürlich auch von Erasco. Wir waren uns allerdings darüber einig, daß dieses Gericht nicht weiterzuempfehlen ist. Nach dem Essen gingen wir mit dem Faulenzen zum gemütlicheren Teil des Abends über. Schließlich mußten die in Deutschland eingekauften Sachen ja auch probiert werden. Bärbels Gitarrenstücke wurden nachher immer schneller, mit dem Singen hinterherzukommen, wurde zusehends schwieriger. Und einer von uns schlief später sogar draußen ein, bis er frühmorgens durch einsetzenden Regen geweckt wurde...


Donnerstag, 5. August 1993

Nach dem Waschen und Frühstücken folgte der Aufbruch zu den Booten, die direkt hinter dem Saverner Schloß lagen.

...und wieder warten!

Während der Landdienst auf dem Markt HipHop- und Techno-Kassetten für den Transit sowie strahlfreudige Wasserspritzpistolen bzw. -werfer einkaufte und außerdem durch die Blödheit einer Bedienung im Touristenbüro eine Karte, die normalerweise knapp 50 Francs kostete, für 9 Francs erstand, hatten die Ruderer einmal mehr eine Vielzahl von Schleusen zu bewältiqen (15-17).

Die Landschaft war inzwischen aber traumhaft, anders kaum zu beschreiben, so daß das Rudern sehr viel Spaß bereitete. Wegen eines geistig wohl etwas verwirrten Schleusenwärters mußte sogar einmal umgetragen werden, da jener meinte, daß jeden Augenblick die Berufsschiffahrt kommen müsse, die tatsächlich aber erst Stunden später eintraf.

Das Ende dieser Tagesetappe war genau jener Campingplatz, auf dem wir die kommenden Tage bleiben sollten. Lutzelbourg, ein schöner Platz mit Freibad, Volleyballfeld, "Daddelhalle" und allem, was man sonst noch so braucht.

Ein idealer Kühlplatz!

Nachdem wir zurück nach Saverne gefahren waren und alles zusammengepackt und abgebaut hatten, richteten wir uns gemütlich in Lutzelbourg ein. Der Bach hinter den Zelten war geradezu ideal zum kühlen unserer Getränke. Nach einem erfrischenden Besuch im Freibad mit Springen und Weittauchen sprengte Björn mit seiner Telefonkarte den Telefonzellen-Jackpot. - Die 24. Einheit war´s, sie wollte und wollte nicht zu Ende gehen. So rief jeder bei allen möglichen Verwandten und Bekannten an, Critter probierte es sogar nach Amerika. Im Anschluß daran veranstalteten wir ein äußerst spaßiges Volleyballmatch mit einem Franzosen. Abgerundet wurde der Tag durch ein schmackhaftes Essen zwischen den Zelten.


Freitag, 6. August 1993

Freitag frei. Diesen Grundsatz vom Sams machten wir uns zum obersten Gebot - wir machten einen Tag blau und ruderten nicht.

Zunächst einmal wurde kräftig ausgeschlafen. Während Björn mit dem Transit auf Erkundungstour fuhr, stand der Rest so gegen 12.30 Uhr auf und setzte sich an den Kanal, der direkt am Campingplatz vorbeifloß. Berger und Hussen nutzten die Gelegenheit, auf den gegenüberliegenden "Canyon" zu kraxeln, von wo aus sie einen phantastischen Blick über das gesamte Tal hatten. Als Björn zurück war, wurde ein kleines Volleyballmatch veranstaltet, bei dem es jedoch zu kleinen Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Punktezählung kam, bis das Spiel unter einigen Reibereien abgebrochen wurde.

Der Blick vom gegenüberliegenden Canyon auf unseren Campingplatz


Auch massive Viadukte prägten das Landschaftsbild - einfach toll!

Gegen 15.00 Uhr fuhren wir einkaufen, entdeckten im Supermarkt ein Bier, das in so außergewöhnlichen Flaschen abgefüllt war, daß wir es einfach mitnehmen mußten. So gut es allerdings aussah, genauso schlecht schmeckte es dann auch. Nach dem Essen legten wir uns auf eine Wiese und faulenzten. Bei der Rezeption wurde bereits eifrigst daran gearbeitet, eine "Straßen-Disse" aufzubauen, auf den Abend waren wir gespannt. Einige gingen noch ins Freibad bevor der Abend anbrach. Die Straßendisse war dann die volle Abgehung. Auch wir gesellten uns unter die "Abhottenden der Nacht".

Schließlich saßen wir noch zwischen den Zelten zusammen. Dabei fragten wir uns unter anderem, was uns am nächsten Tag wohl in dem Tunnel erwarten würde, den wir zu durchrudern hatten (und Okieh sprach Kowo ganz indirekt auf sein rollendes R an):

Okieh: "...Im Tunnel gibt´s ganz viele Rrrrratten!"
Kowo: "Ich weiß auch nicht, woher ich das hab', das ist mir glaub' ich angeboren!"
Okieh: "Wahrscheinlich von den Rrrrrussen!"


Samstag, 7. August 1993

Waschen (?), frühstücken, losrudern. So etwa ging´s am Samstag los.

Neben den bisherigen Attraktionen der Tour wurde uns heute etwas gänzlich Neuartiges präsentiert: Schon nach nicht einmal einem Kilometer Ruderstrecke hatten wir in einem Schiffshebewerk zu schleusen. Für die meisten von uns war dieser Schiffshebewerkschleusvorgang auch der erste dieser Art, so daß wir natürlich ´rumphotographierten, alles anguckten und sowieso alles ganz toll fanden. Siebzehn Schleusen ersetzt das ...werk, nicht weniger als 43,50 Meter Höhenunterschied werden mit ihm überwunden.

Ein kleines Bonbon der Tour... Ein Schiffshebewerk... Überwundener Höhenunterschied: 43,50 Meter


Damit auch Touristen sich dieses Wunder der Technik genauestens ansehen können, fahren eigens für diese in Betrieb genommene "Touristendampfer" hoch und runter, jeweils nur einen kleinen Wendekreis ziehend. Direkt vor uns war auch ein solcher Touristendampfer. Nicht unerfreut waren wir durch den Umstand, daß unmittelbar an des Dampfers Heck und somit an unserer Boote Bug auch weibliche Touristen verweilten, die nicht nur ganz und gar nicht einmal schlecht aussahen, sondern zudem noch ungefähr in unseren Alter waren. Ab und zu rutschte die Kamera ein wenig durch die Finger, so daß im Endeffekt, natürlich aus Versehen, anstatt des Schiffshebewerkes auch 'mal der Touristendampfer auf dem Bild war (hieran erkennt man gut, daß die Teilnehmer der Tour wirklich ausschließlich männlich waren!). Als die beiden Mädels uns zum Schluß noch eines Winkes beehrten, entbrannte eine heiße Diskussion darüber, wer nun gemeint gewesen sei. War es Berger oder Kowo gewesen? - Die beiden grübeln wahrscheinlich heute noch...

Links der Steilhang, rechts das Tal...

Hinter dem Schiffshebewerk gab es leider wieder eine unschöne Randbefestigung, dafür aber eine Entschädigung anderer Art: an unserer Backbordseite stieg nämlich direkt hinter der Randbefestigung ein Steilhang empor, der sich wunderschön in die Landschaft eingliederte und uns glauben machte, wir ruderten auf einer abschüssigen Wasserstraße, gab es an Backbord den Steilhang, an Steuerbord den Blick ins tiefer liegende Tal. Toll!

Wenige Kilometer später gab's die nächste Sensation: einen Tunnel von knapp über zwei Kilometern Länge und im Anschluß daran noch einen etwas kürzeren gleicher Bauart. Er war ziemlich dunkel und wahnsinnig schmal. Mit voll in die Dollen gedrückten Skulls konnte man nur schwerlich hindurchkommen, daher zogen wir die Skulls ein wenig ein. Das muß zwar äußerst ulkig ausgesehen haben, aber der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel.

Einfahrt in den Tunnel

Vor dem zweiten Tunnel mußten wir kurz warten, bis der Gegenverkehr durch war. Die Zeit nutzte unser Fliegengewicht Okieh, um sich für den Kampf gegen die Dunkelheit zu präparieren. Mit einer Taschenlampe, die normalerweise dafür gedacht ist, sie irgendwo festzuklemmen, die Okieh jedoch am Schirm seines Bears-Cappies anbrachte, verwandelte er seine Mütze in einen Grubenhelm. "Kali-Kumpel Okieh auf Hungerstreik!", hieß es nun. Später gesellte sich zu diesem Spruch noch "Kali-Grube Kowo zum Abbau von Salinensalz!", was mit Kowos (bei sportlichen Aktivitäten) chronischer Schweißüberproduktion zu tun hatte.

Nach den beiden Tunnels blieb die Strecke, einem echten Kanal entsprechend, recht lange schnurstracksgerade. Mittags machten wir ca. eine Stunde Pause, kurz danach trafen wir auch den Landdienst wieder. Eine weitere kurze Strecke später nahmen wir die Boote an einer Brücke heraus und fuhren zurück zum Zeltplatz, wo wir uns erstmal 'ne Runde ins Gras legten.

Beim Volleyball machte sich abermals eine leichte Aggressivität aller Beteiligten bemerkbar, etwas überreizt brach dann auch ein Streit über diverse Aus- oder In-Bälle aus, bis man unter gegenseitigen Beschimpfungen das Spiel abbrach. Ohne in irgendeiner Form über- oder untertreiben zu wollen, kann man die sich anschließende Stimmung nur als mies bezeichnen. Später wollten wir dann noch in eine Disco nach Sarrebourg fahren. Über die Frage, wer fahren sollte (am Steuer), entbrannte dann nochmals ein kleiner Streit mit darauffolgender Mißstimmung. Entsprechend fasse ich mich bei der Beschreibung des Abends kurz: in Sarrebourg war nicht viel los, bei "Chez l´ami Fritz" tranken wir 'n Bierchen, die Disse (das "Forum") war viel zu teuer, nebenan das Café aber sehr nett, der Hunger groß, und um 1.00 Uhr fuhren wir zurück zum Campingplatz und legten uns schlafen.


Sonntag, 8. August 1993

Am Sonntag mußten wir wieder umziehen. Nachdem es frühmorgens noch geregnet hatte, bauten wir unsere Zelte ab und fuhren los.

Kleine Rennen auf dem See...

Das Rudern war traumhaft. Bei Super-Wetter machte es einfach nur Laune. Später trugen wir die Boote um auf einen See, an dessen Ufer unser nächster Campingplatz lag. Beim Rudern auf dem See machten wir noch eine gemächliche Runde um eine kleine verwucherte Insel und lieferten uns anschließend ein Rennen, bevor wir am Badestrand (bzw. direkt daneben) anlegten und die Boote verstauten. Der Transit war zwar auch schon da, jedoch war der Landdienst nirgends zu entdecken. Nach kurzer "Suchzeit" hatten wir die beiden gefunden und bezogen unsere Parzelle. Dabei stellte Kowo unter Beweis, daß er in der Lage war, den Transit mustergültig einzuparken. Unsere Nachbarn waren ziemlich fertig, allesamt hörten sie, ihre langen Haare wild in den Wind moschend und eine Menge hochprozentiger Alkoholika verzehrend, die Art von Musik, die man laut hört. Und das taten sie auch!

Wir begnügten uns zunächst mit dem Faulenzen, dröhnten uns eine Kase von den Toten Hosen 'rein und beschlossen, die Zelte nicht aufzubauen, sondern stattdessen unter freiem Himmel bzw. unter Björns Überzelt oder aber im Transit zu schlafen. Dann machten wir uns an eine weitere Dose von Erasco.

Campingplatz-Romantik

Mit zunehmender Dunkelheit marschierten wir hinunter zum Strand und sangen, was das Zeug hielt. Später taten wir uns mit anderen jungen Leuten zusammen und entzündeten auf der Landzunge ein schönes Lagerfeuer. Um's Feuer versammelt, machten wir weiter. Während Björns Sitznachbar (das war der coole Matthias mit dem roten Stirnband) ihn die ganze Zeit mit dem letzten uninteressanten Krams vollquasselte, dreschte Bärbel unnachahmlich in die Saiten und begeisterte seine Zuhörerschaft. Obwohl ihm sogar eine Saite riß, ging es heiter weiter. Das einzige Lied, welches diese gerissene Saite unmöglich machte, war "Yellow Submarine" (das hatte sich nämlich der coole Matthias gewünscht!). Gegen 2.30 Uhr gingen wir dann schnarchen, Berger und Bärbel draußen, Kowo und Hussen im Transit, der Rest unter Björns Überzelt.


Montag, 9. August 1993

Um 10.00 Uhr mußten wir bei der ersten Schleuse sein. Dementsprechend hektisch mußte alles ablaufen, hatten wir unsere eigentlich auf 8.00 Uhr angesetzte Aufstehzeit mehr oder weniger verpennt bzw. wegen nachhaltiger Auswirkungen des vorigen Abends nicht wahrnehmen wollen. So kamen wir erst nach 9.00 Uhr los, machten die Boote fertig, überquerten den See, trugen um und keulten wie die Wilden, um die Schleuse noch rechtzeitig zu erreichen. - Es wurde zwar knapp, aber es gelang.

Mal wieder schleusen...

Insgesamt hatten wir an diesem Tage wieder extrem viele Schleusen zu überwinden. Im Anschluß ans Rudern gingen wir erstmal in einem Supermarkt einkaufen.

Der nächste Campingplatz, auf dem wir unsere Zelte aufschlugen, war der in Harskirchen; schön gelegen mit eigenem See und kleiner Daddelhalle - genau das richtige für uns. So schlugen wir unsere Zelte auch gleich am See auf, eine kleine Landzunge hatten wir ganz für uns allein.

Die nächste Zeit vertrieben wir uns mit essen, faulenzen, Sachen aus- und aufräumen, Zelte aufbauen und ähnlichem. Später spielten wir noch einige Daddelspiele im ersten Stock des Hauptgebäudes, jedoch wurde hier schon um 22.00 Uhr zugemacht. So saßen wir noch eine Weile am Transit zusammen und schnackten.


Dienstag, 10. August 1993

Die Nacht verlief für alle äußerst schlecht. Draußen wütete ein verheerender Sturm, der mehrmals Bergers Vorzelt wegriß. Demzufolge waren wir morgens relativ unausgeschlafen, als es um 8.45 Uhr losging. Abermals mußten wir um 10.00 Uhr bei der ersten Schleuse sein, einige frühstückten wegen Zeitdrucks sogar während der Autofahrt im Transit.

Während der Landdienst zurück nach Lutzelbourg fuhr, den Hänger holte und sogleich nach Saarbrücken brachte, legten die Ruderer sich mächtig in die Skulls. Da wir im Laufe der nächsten beiden Tage (also bis Mittwochabend) noch bis Saarbrücken kommen wollten, mußten wir es heute unbedingt bis Zetting schaffen, es galt, so viele Kilometer abzureißen wie möglich!

Der Schleusenwärter hatte eh noch Pause...

Nachdem die Bootseinteilung geändert worden war (siehe Tabelle unten), setzte Regen ein. Zum Glück fanden wir kurzweilig Zuflucht unter einer Kanalbrücke, über die wir zunächst hinweggerudert waren. Der Schleusenwärter hatte, wie wir wußten, sowieso noch eine knappe Stunde Mittagspause, und so machten auch wir eine Rast und aßen unsere letzten Vorräte.

In Zetting stieß der Landdienst zu uns, der zu unserer aller Freude in Saarbrücken einen Aldi-Markt gefunden hatte und uns mit frischen Getränken versorgte (unsere Vorräte waren bereits erschöpft!) - was für eine Wohltat! Wir einigten uns darauf, daß wir noch bis zur Schleuse 29 fahren würden.

Kowo und Berger

Mit guter Geschwindigkeit ruderten wir weiter. Dabei entbrannten mehrere kleine Rennen zwischen den beiden Trainingsruderern Okieh und Berger, die ohne Steuennann fuhren, und den beiden Schwergewichten Hussen und Kowo, die Bärbel an der Steuerleine hatten.

Gegen 19.00 Uhr erreichten wir die Schleuse 29. Da es für ein Schleusen zu spät war, nahmen wir die Boote unter ungünstigen Bedingungen an einem sehr steilen Ufer heraus und fuhren zurück zum Campingplatz. Aufgrund der zurückgelegten Strecke von über 50 km an diesem Tag (mit zehn Schleusen) waren wir alle ziemlich fertig und hatten enorm großen Hunger. Daher war das erste, was wir in Harskirchen taten, essen. Hierbei sollte es Okieh gelingen, unseren größten Vorrätekiller Kowo unter den Tisch zu essen. Die Mahlzeit, die Okieh ihm bereitete, bestehend aus Tomatensuppe, Reis, einer Art Cabanossi-Wurst und Schmelzkäse, setzte Kowo dermaßen zu, daß er sich danach so gut wie gar nicht mehr bewegen konnte. So etwas hatten wir alle noch nicht erlebt: Da liegt einer im Gras und hat Schmerzen, wenn er sich bewegt, weil er zuviel gegessen hat!

Nach den Duschen gingen wir noch kurz in die Daddelhalle, saßen noch ein wenig zusammen und legten uns schließlich schlafen.


Mittwoch, 11. August 1993

Um 7.00 Uhr hieß es aufstehen. Einpacken, essen, zusammenbauen, abfahren. Unterwegs noch schnell bei Coop angehalten und die restlichen Francs verpulvert, setzten wir die Boote an der Schleuse 29 wieder umständlich ins Wasser. Die Schleuse war jedoch "'n bischen blöd", funktionierte sie nicht so recht, obwohl wir mehrmals die Lichtschranke ausgelöst und mit dem "Serviceman" telefoniert hatten (Okieh). Nach einer Stunde Wartezeit war der Schleusvorgang endlich beendet und wir konnten losrudern.

Bärbel fuhr im Laufe des Vormittags nach Kaiserslautern, wo er sich bei der Gelegenheit gleich einmal die Uni ansehen wollte, da er nur wenige Monate später dort anfangen wollte zu studieren. Dabei machte er die Erfahrung, daß die dortigen Kebaps in keinster Weise mit den "lübschen" zu vergleichen sind. Außerdem hatte er ein witziges Erlebnis mit einen Stadtstreicher, dessen Hund sich daran machte, einen Pferdeapfel zu essen. Des Streichers Kommentar: "Na, man muß ja alles mal probiert haben!"

Die Ruderer mußten bei der zweiten Schleuse bereits umtragen, da diese für den Schiffahrtsverkehr wegen Reparaturarbeiten gesperrt war. Kurz dahinter wäre Alcis fast ein Wehr hinuntergestürzt. Durch die Unachtsamkeit des Steuermanns Kowo, der dachte, daß das Zeichen für "Achtung! Wehr!" bedeuten würde, daß man da lang fahren müsse, wäre es mit uns beinahe den Bach hinunter gegangen. Zum Glück wurde die Gefahr noch rechtzeitig bemerkt!

Ankunft in Saarbrücken

Schließlich überquerten wir die deutsche Grenze und befanden uns wieder in der Heimat. Bereits der zweite oder dritte Seitenarm gen Steuerbord führte uns direkt an den Steg der Saarbrücker Rudergesellschaft Undine, unserem Ziel der Tagesetappe und Wanderfahrt.

Beim Anlegen und Ausräumen der Boote war höchste Obacht geboten! Der Steg durfte nicht zu stark belastet werden, trug er doch ein deutliches Zeichen "Maximalgewicht 1,0 t!" (1 Tonne). Als Björn seine Ruder-Tonne, in der er seinen Tagesproviant aufzubewahren pflegt, vom Steg entfernt hatte, konnte endlich auch Hussen seine Tonne aus dem Boot nehmen - gewagte Aktion!

Nach dem Abriggern und Verladen der Boote duschten wir und machten die obligatorischen ROWdies-Photos. Anschließend gingen wir in die Stadt. Die äußerst nett angelegte Fußgängerzone wurde in bescheidenem Maße verschönert durch ein ansässiges "McDonald's-Restaurant", in dem wir sogleich einkehrten und etwas aßen. Nur Critter mußte peinlich werden, kaufte er sich eine nicht zu übertreffende Cola-Dosen-Halterung für den Gürtel, um seine Cola nicht immer in den Händen halten zu müssen. Stark!

Kurze Zeit später setzten wir uns in ein Straßencafé und tranken ein schönes, kühles, deutsches Pils. Auf dem Rückweg zur Undine schauten wir noch schnell im Plus-Markt vorbei und kauften ein wenig ein. Bis um 19.00 Uhr vertrieben wir uns die Zeit mit lesen, schlafen oder anderen Sachen.

Um 19.00 Uhr hieß es dann essen. Das sich in direktem Anschluß an die Bootshallen befindende Vereinsrestaurant hatte eine Spezialität auf seiner Karte, die unseren Wünschen vollkommen gerecht werden sollte: warmes Buffet ohne Ende für lasche 13,- DM. Außer Bärbel und Berger, bei denen so rechter Hunger nicht aufkommen wollte, nutzten alle dieses Angebot schamlos aus - ungefähr fünfmal knallten wir uns unsere Teller voll und waren danach so richtig satt! Eigentlich mehr als das, eigentlich waren wir "vollgefressen"!

Nach dem nunmehr nötigen "sacken-lassen" gingen wir nochmals in die Stadt. Dort fanden wir relativ schnell eine Kneipe, wie wir sie mochten: den Irish-Pub, eine kultige, urige, gute, gemütliche Kneipe mit guter Musik, die zudem noch leckere Getränke anbot. Ein Werbeplakat mit dem Titel "The First Pull", das sowohl auf den ersten Zug beim Trinken als auch auf den beim Rudern anspielte, kam unserem Geschmack in hervorragender Weise entgegen. Als die Live-Musik eine Pause einlegte und wir uns so langsam auf die Socken machen wollten, war auf einmal Berger verschwunden. Das wäre an für sich nichts schlimmes gewesen, hätten wir nicht gewußt, daß gerade ER den Heimweg zur Undine nicht (mehr) kannte. Obwohl wir alle Ecken der Kneipe genauestens absuchten, war er nicht zu finden. Nun hieß es aufteilen in Gruppen. Okieh und Bärbel opferten sich, weiter im Irish Pub zu warten, falls er unter Umständen noch zurückkäme (Danke nochmals!), die anderen durchsuchten die nähere Umgebung. Nachdem wir uns nochmals zwecks Lagebesprechung getroffen hatten, gingen wir verschiedene Wege zur Undine ab. Björn war es, der Berger schließlich aus dem Fond eines Taxis erblickte. Nun schickten wir ihn erst einmal schlafen. Die anderen warteten noch auf Bärbel und Okieh, ehe auch sie schlafen gingen. Nur Bärbel und Okieh verweilten noch ein Weilchen auf dem Steg...


Donnerstag, 12. August 1993

Um 5.30 Uhr standen wir auf. Beim Fertigmachen bemerkten wir, daß Kowo, der alle anderen Tage Hussen des Schnarchens bezichtigt und geradezu angeklagt hatte, schnarchte wie ein Bär - ertappt! Kurz nach 6.00 Uhr fuhren wir los. Zunächst chauffierte uns Björn bis Kassel, wo wir auftankten und unsere letzten Pfennige ausgaben. Dann übernahm Okieh das Steuer und rauschte durch bis Lübeck.

Über die Autofahrt ist wenig zu berichten, da so gut wie den ganzen Vormittag geschlafen wurde und sich später bis auf die normalen Gespräche auch nichts Weltbewegendes mehr ereignete.

Gegen 15.30 Uhr kamen wir bei der LRG an, machten den Hänger und die Boote fertig und hatten um ca. 17.00 Uhr unsere Arbeiten abgeschlossen.

Ab 19.00 Uhr fanden wir uns wieder in der LRG ein, tranken zum Ausklang der Wanderfahrt noch ein, zwei kühle Bierchen und gliederten uns mit dem Besuch im Galaxis ab 22.00 Uhr wieder ins Alltagsleben ein...


Ich glaube, es ist an dieser Stelle überflüssig zu erwähnen, wie schön uns die Wanderfahrt im Nachhinein in Erinnerung ist; bis auf einige kleine Reibereien war die Kameradschaft super, und wir hatten gemeinsam jede Menge Spaß!

Dem Fahrtenleiter Björn nochmals ein großes Dankeschön für diese wundervolle Tour!

Stephan Huss (nur an die Teilnehmer verteilter Bericht, gekürzte Fassung)