Mecklenburgische Seenplatte
Die
ROWdies waren auch dieses Jahr wieder los. Vom 18. bis zum 26. Juli
1992 waren sie unterwegs, und zwar auf der Mecklenburgischen Seenplatte.
Im Gegensatz zum letzten Jahr war es diesmal aber ein größeres
Team, das sich auf die Fluten stürzte: 12 Mann (wirklich nur
Männer) von der KRR und von der LRG trafen sich in den frühen
Morgenstunden an der LRG, verluden das Gepäck und schwangen
sich in den altersschwachen LRG-Transit und in den BMW-Kombi von
Vater Ritter. Wir verabschiedeten
uns erbost mit einem inbrünstig geschmetterten Sprechgesang,
der ungefähr so klang wie "Akama-la, yeah" und verließen
das Etablissement. Wir mußten irgendwo hin, wo's laut war,
in eine Disco. Doch die Musik, die uns aus den diversen Tanzlokalen
entgegendröhnte, war nicht unser Fall. Eine Disco schien jedoch
ein wenig brauchbare Musik zu liefern, doch als wir alle unseren
Eintritt gelöhnt hatten, wechselte die Musik schlagartig in
Techno-HipHop-Dancefloor-Sch..ß. Wir hielten es nicht lange
aus und machten uns wenig später auf den Heimweg durch das
nächtliche Berlin. Irgendwann am nächsten Morgen, auf
jeden Fall aber viel zu früh, mußten wir wieder aufstehen.
Plötzlich waren lauter andere Lübecker Ruderer da, die
uns auch noch in ihren Autos sonstwohin fahren wollten. Sollte uns
ein wichtiges Detail verschwiegen worden sein? Hier stellt sich
ein großes Manko dieser Fahrt dar, die Fahrtenleitung (Björn
war's) war grundsätzlich nicht bereit, irgendwelche Informationen,
die den Fortgang der Fahrt betrafen, preiszugeben. Wie sich durch
unnachgiebiges Fragen herausstellte, hatten die Ruderer an der großen
FISA-Sternfahrt teilgenommen und wollten uns nun auf ihrem Rückweg
irgendwo an der Havel absetzen. Das ist ein weiteres Problem: eigentlich
wußte bis auf Björn und einige ihm sehr Nahestehende
keiner so richtig, wo wir eigentlich waren. Das hat nichts mit unseren
geistigen Kapazitäten zu tun, sondern vielmehr mit dem schon
bekannten Problem des mangelnden Informationsflusses. Björn
wollte einfach nicht sagen, wo wir waren. An jedem Morgen teilte
er eine Karte aus und sagte den Obmännern der beiden Boote,
wo wir hin sollten, und wo uns der Landdienst wieder abholen wollte. Es war
nämlich so: Da es sich um zwei Vierer handelte, die nur zehn
Personen Platz boten, wir aber 12 Ruderer waren und immer ein festes
Quartier hatten (die ersten vier Tage in der Jugendherberge Mirow
und die letzten vier Tage in der Jugendherberge Plau), war jemand
nötig, der fähig war, den klapperigen Transit über
holperige Straßen zu lenken. Drei Personen hatten einen Führerschein:
Nico Haarländer, Christian Rose und Björn Lötsch.
Zusammen mit einem zweiten Freiwilligen, den Björn, das Los,
bestimmte, hatte einer unserer Wagenlenker die ehrenvolle Aufgabe,
Verpflegung für die lauen Sommernächte in der Jugendherberge
zu besorgen. Es war ja sooo gemütlich! In Mirow hatten wir
einen Bungalow für uns alleine, der See war nicht weit und
die jungen Polinnen vom Bungalow gegenüber benutzten mit uns
die gleiche Dusche. Wir hatten 'ne Menge Spaß. Während
eines Sturmes, der in Süddeutschland Todesopfer forderte, spielten
wir eine erfrischende Partie Volleyball, und während wir in
der Dämmerung vor unserer Hütte saßen, diskutierten
wir über Gott und die Welt, wenn wir nicht gerade gesungen
haben, was zur Begleitung von Altmeister Nico Haarländer an
der Gitarre gar nicht sooo schlecht klang. Jaja, wir
haben auch gerudert, so ist das nicht. Wenn man auf der Mecklenburgischen
Seenplatte unterwegs ist, dann ist es einem, als sei man auf einer
riesengroßen Wakenitz. Dem Flußlauf der Havel folgend
fuhren wir in Tagesetappen von etwa 30 km Richtung Müritz.
Auf der Müritz selbst kommt man sich ziemlich allein gelassen
vor, denn der See ist so groß, daß man von der Mitte
aus das Ufer nur schwer ausmachen kann. Wir starteten eine spektakuläre
Verfolgungsjagd über den größten See der fünf
neuen Bundesländer, um uns gegenseitig naß zu spritzen.
Während eines kurzen Waffenstillstandes schlief der gute Jens
auf seinem Rollsitz ein, eine Schöpfkelle voll Müritzwasser
weckte ihn wieder auf. - Zur
Illustration einfach mal mit der Maus über das Bild rechts
fahren... Die Plauer
Jugendherberge befand sich auch direkt am See, allerdings wurde
sie durch eine Schnellstraße von letzterem abgetrennt. Die
Zimmer waren schlicht und einfach, hatten aber eine besondere Attraktion:
die Wände waren von oben bis unten mit dummen Sprüchen
wie "Fred war hier" beschmiert. Nachdem wir uns über
die orthographischen Fähigkeiten ihrer Urheber genug amüsiert
hatten, fügten wir selbst noch ein paar Sprüche hinzu.
Und das Wetter war sooo schön! Die ganze Zeit brüllte
die Sonne vom Himmel, als würde sie ihre gesamte sengende Kraft
nur dafür aufwenden wollen, unsere sonnenhungrige Haut zu haselnußbräunen.
So schön wie das Wetter war, so klar war auch das Wasser, während
einiger Pausen auf dem Wasser nutzten einige die Gelegenheit, mal
kurz neben das Boot zu springen. Der Höhepunkt
der Fahrt stand aber noch für den vorletzten Abend auf dem
Programm, der Besuch der Disco in Neukalen. Björn meinte, das
sei ein heißer Tip, außerdem werde die Miß Neukalen
'92 gewählt, wir wollten hin. Nachdem wir unsere selbstgegrillten
Würstchen verdrückt hatten, zwängten wir uns in den
Ford Transit. Wie man vielleicht vermuten möchte, liegt Neukalen
in der Nähe von Plau, dem ist nicht so, es ist eine halbe Tagesreise
entfernt, dementsprechend lang und langweilig wurde die Fahrt. Bohrende
Fragen wurden an Björn gestellt, wo ist die Disse, wie lange
noch, wann sind wir da? Um nicht ins Lenkrad beißen zu müssen,
schrie Björn seinen Ärger in die Welt hinaus: "NEUKALEN
- verdammt N-E-U-K-A-L-E-N ist das denn so schwer! Mein Gott! Argh!"
Wie gesagt, Fragen war nicht erwünscht, Geheimniskrämerei
sorgte für angespannte Spannung. Als wir endlich, es war bereits
dunkel, in Neukalen ankamen, verschlug es uns fast den Atem: So
eine Disco hatten wir in einem Dorf nicht erwartet, zwei Tanzflächen,
drei Bars, Billardtische, gute Preise und Mädels, eieiei. Kurz
bevor die Putzfrauen kamen, verließen wir glücklich den
Laden, zwängten uns wieder in den Transit und juckelten nach
Hause. Wir freuten uns auf unsere durchgelegenen Betten, doch irgendwo
zwischen Neukalen und Plau ging das Benzin zur Neige. Es dämmerte
bereits, und wir rollten vor eine Tankstelle, die Tanknadel zeigte
an, daß sich noch gerade drei Tropfen Kraftstoff im Tank befanden,
der Tankwart seinerseits war aber nicht bereit, die Tankstelle zu
öffnen, da es noch nicht sieben Uhr war. Da es jetzt erst fünf
Uhr war, waren wir einer Verzweiflungstat nahe, doch wir wagten
noch einmal, den Motor anzuschmeißen, da uns der Tankwart
den Weg zu einer 24-Stunden Tankstelle beschrieben hatte. Die Tankuhr
zeigte noch einen halben Tropfen Benzin, als wir dort vorfuhren,
doch wie erstaunt waren wir, daß nur 10 Liter in den Tank
paßten. Wut überkam uns, wir hätten schon längst
zu Hause sein können, und nur wegen einer defekten Tankuhr
hingen wir noch irgendwo in der Provinz 'rum. Nachdem
wir noch einen Tag lang um Plau herum gerudert waren, luden wir
die Boote auf den Bootshänger und fuhren, chauffiert von Vater
Sonnenberger und Björn, zurück nach Lübeck. Es war
eigentlich eine sehr schöne Sommerwanderfahrt, aber es müssen
auch Abstriche gemacht werden, denn die Kameradschaft zwischen LRG
und KRR war nicht immer zufriedenstellend, uns Amateuren schlug
teilweise eine gewisse Arroganz der Trainingsruderer entgegen, aber
in der Erinnerung überwiegen doch die schönen Erlebnisse.
Vielen Dank an Björn für die schweigsame aber gute Organisation
und an Ritters und Sonnenbergers für den Gepäcktransport. Christian Kohlhof (Artikel aus "KRR aktuell"
Nr. 5, Heft 12/1992) |